Vorläufe ab 12.00 Uhr mittags, Semi- und Endläufe ab 22.00 Uhr – der für Schwimmer ungewohnte Zeitplan hat im Vorfeld der Olympischen Spiele in Rio schon für viel Nachdenken gesorgt. Wie sollen die sensiblen Hochleistungssportler ihren Biorhythmus auf den Rio-Rhythmus einstellen? Ist es möglich, zu nachtschlafener Zeit die Bestleistungen abzurufen?
Deutsche Top-Schwimmer wie Paul Biedermann, Franziska Hentke, Dorothea Brandt und Damian Wierling haben in Trainingslagern und an ihren Heimattrainingsorten den Ernstfall trainiert: Trainingseinheiten wurden auf 12.00 Uhr und 22.00 Uhr verlegt. Es wurde getestet, wie man mit einer Veränderung des gesamten Lebensrhythmus klar kommt und welche Hilfsmittel eingesetzt werden können.
Das deutsche und auch das US Team greifen dabei auf einfache Hilfsmittel zurück: Schlafmasken oder das Abdunkeln der Fenster mit schwarzer Folie und Tape und Ohropax sorgen dafür, dass Tageslicht und normale Tagesgeräusche die Schwimmer nicht stören, wenn sie vielleicht erst gegen 2.00 oder 3.00 Uhr morgens wieder im Olympischen Dorf sind und vormittags ungestört schlafen können müssen, wenn andere Athleten die Unterkünfte bevölkern.
Die deutschen Schwimmer bereiten sich in Palhoça, Brasilien im “Complexo Aquático da UNISUL” zur Zeit auf die Olympischen Spiele vor. Der Complexo Aquático da UNISUL (Universidade do Sul de Santa Catarina) gehört zu den von den Organisatoren der Olympischen Spiele empfohlenen Vorbereitungstrainingscamps.
Der Komplex umfasst eine Schwimmhalle mit einem 50 m Pool und einem Sprungbecken. Weiterhin gibt es Räumlichkeiten für Ausdauer- und Krafttraining, medizinische Behandlungen.
Mediziner haben sich im Vorfeld auch Gedanken gemacht, wie sie die deutschen Spitzenschwimmer beim Kampf um Medaillen und gegen den eingespielten Bio-Rhythmus unterstützen können: Die Schwimmer stellen in den Abendstunden eine Kunstsonne ins Zimmer, eine Speziallampe aus dem Berliner Schlaflabor.
Ob es ein Trost ist, dass alle Schwimmer unter den gleichen Bedingungen schwimmen müssen? Zumindest ist so eine Chancengleichheit hergestellt. Und Baldrian als pflanzliche Einschlafhilfe ist auch für die Sportler zugänglich.
Eine ganz besondere Unterstützung haben die australischen Schwimmer: Eine Brille der Firma Propeaq Glasses, die durch eine App gesteuert wird und dafür hergestellt wurde, den Bio-Rhythmus zu überlisten. Die Brille setzt dabei eingebaute LED Lichter ein sowie einen Wechsel zwischen blauer und roter Gläserfarbe. Mit diesen Beeinflussungen, verspricht der Hersteller auf propeaq.com, “ist man aktiver, wacher und besser konzentriert und produktiver.”
Bei dem Einsatz der Brillen geht es für den australischen Head-Coach Jacco Verhaeren um die “Kortisol und Melatonin Produktion, die für den Schlaf- oder den Wachzustand zuständig sind, zu beeinflussen.”
Weiterhin hat Verhaeren ebenfalls dafür gesorgt, dass die Zimmer der australischen Schwimmer komplett abgedunkelt werden können und sie Räume in den obersten Etage des Olympischen Dorfes haben – damit sie von den normalen Tagesgeräuschen nicht so stark gestört werden. Außerdem wurde darauf geachtet, dass die Räume in der Nähe der Transportbusse zum Aquatic Center und des Speisesaales liegen, damit die Athleten möglichst kurze und bequeme Wege haben und nachts nach ihren Starts schnell zum Essen und zurück in ihre Zimmer kommen werden.
“Wir möchten bestens vorbereitet sein. Dies alles sind keine Wundermittel, aber wir hoffen, dass alle diese kleinen Dinge helfen werden.” sagte Verhaeren dem goldcoastbulletin.
Am 6. August geht es für die Schwimmer los.
Am ersten Tag gibt es direkt deutsche Beteiligung:
Johannes Hintze startet über die 400 m Lagen – mit Außenseiterchancen, das Finale zu erreichen. Aber bereits die Teilnahme an den Olympischen Spielen ist für den das 17-jährige Ausnahmetalent ein Riesenerfolg. Jacob Heidtmann tritt ebenfalls über die 400 m Lagen an – in Kasan, bei den Weltmeisterschaften 2015, wurde er Fünfter über diese Strecke. Franziska Hentke ist bei den Damen über die 400 m Lagen gemeldet. Florian Vogel und Clemens Rapp starten über die 400 m Freistil und die Chancen sind nicht schlecht, dass der Münchener Vogel den Einzug ins Finale schafft – er steht im Moment auf Platz 8 der Weltrangliste. Über die 100 m Schmetterling ist Alexandra Wenk gefragt – und ist sie in Topform, liegt es durchaus im Bereich ihrer Möglichkeiten, in das Seminfinale einzuziehen.